- Mittelsteinzeit: Steinerne Äxte und Beile - Geräte, Waffen und Votive früher Ackerbauern
- Mittelsteinzeit: Steinerne Äxte und Beile - Geräte, Waffen und Votive früher AckerbauernÄxte und Beile gehörten zu den wichtigsten Geräten des vorgeschichtlichen Menschen, als Arbeitswerkzeuge wie als Waffen bei der Jagd und im Kampf. Unter einer Axt versteht man allgemeinsprachlich ein beidhändig geführtes schneidendes Schlaggerät, das vornehmlich bei der Holzgewinnung und -verarbeitung eingesetzt wird, unter einem Beil die meist kleinere, einhändig geführte Variante. Der Archäologe definiert jedoch anders: Die Axt ist durchlocht beziehungsweise durchbohrt, das Beil jedoch nicht. Bei der Axt wird der Schaft durch das Loch geschoben, während das Beil in einen geschwungenen Stiel aus Holz geschäftet wird. Beide sind in der Regel in Längsrichtung der Schneide geschäftet. Stücke, die quergeschäftet sind, werden Dechsel genannt. Je nach den Zeitepochen und den zu Verfügung stehenden Materialien sind die Äxte und Beile aus Knochen, Geweih, Stein (Felsgesteine oder Silex), Kupfer, Bronze und Eisen, sehr selten auch aus Gold oder Silber (zum Beispiel die Äxte aus einem der Schatzfunde von Troja) gearbeitet. Die Grundformen der Äxte und Beile entstammen der ausgehenden Altsteinzeit, dem späten Jungpaläolithikum, und der mittleren Steinzeit, dem Mesolithikum. Als älteste Ausformung gelten aus Rengeweih gefertigte Beile, die Lyngbybeile. Sie dienten, wie Schlagspuren an Rentierschädeln beweisen, als Jagdwaffen.Mit der allmählichen Wiederbewaldung weiter Landstriche nach dem Ende der Eiszeit stieg der Bedarf an Holzbearbeitungsgeräten erheblich. Bereits die Mesolithiker entwickelten aus Silex geschlagene, Kern- und Scheibenbeile sowie Knochen- und Geweihbeile. Auf Kontakte dieser späten Wildbeuter zu frühen Ackerbauern gingen die ersten geschliffenen Beile und die durchlochten Scheibenkeulen oder Geröllkeulen zurück, die mitunter im mesolithischen Milieu auftauchen. Die Hochblüte der steinernen Beile und Äxte in dieser zeitlichen Staffelung lag jedoch in der Jungsteinzeit, der Zeit der ältesten Ackerbauern und Viehzüchter in Europa ab der Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. Ihre formenmäßige Vielfalt und ihre hohe Fundzahl sind durch den enormen Verschleiß zu erklären, den die gesteigerte Nutzung des Waldes mit sich brachte, wie die Rodung der Anbauflächen, der Baumeinschlag zur Gewinnung und Zurichtung der oft sehr mächtigen Bauhölzer, die Holzbearbeitung (wie Aushöhlen von Einbäumen, von Holzgefäßen, Herstellen von Spaltbohlen).Zu Beginn des Neolithikums, in der Zeit der mitteleuropäischen bandkeramischen Kultur, wurde eine besondere Beilform entwickelt, die nach ihrem Aussehen gewöhnlich als »Schuhleistenkeil« bezeichnet wird. Es handelt sich um geschliffene Felsgesteinbeile mit einem asymmetrischen Querschnitt und einer aufgewippten Schneide. Die ältere Forschung hat die größeren Exemplare lange Zeit als Pflugscharen gedeutet, heute werden sie, auch aufgrund von Gebrauchsspuren und von Versuchen der experimentellen Archäologie, als Holzbearbeitungsgeräte (als Dechseln und Beitel) angesehen. Gerade die Hausbauten dieser frühen Bauernkultur waren mächtige Langhäuser aus Holz. Andere Dechseln werden auch als Waffen gedient haben.In den Nachfolgekulturen der Linearbandkeramik, das heißt in der stichbandkeramischen Kultur, der Großgartacher Gruppe, der Hinkelsteingruppe und der Rössener Kultur, tauchen die ersten großen Äxte, also durchlochte Formen, auf, die wohl reine »Arbeitsäxte« waren. Zu einer größeren Formenvielfalt und Differenzierung in der Funktion von Äxten und Beilen kam es dann zu Beginn des jüngeren Neolithikums, zur Zeit der Michelsberger Kultur und der frühen Megalithkultur, wo nun auch die ersten Streitäxte erscheinen, die dann später zur Zeit der schnurkeramischen Kultur besonders zahlreich in die Gräber von Männern als Beigaben gelangten.Die Rohstoffe zur Beil- und Axtherstellung bezog man teilweise aus der nächsten Umgebung, vor allem bei Basalten oder Schieferarten, aber schon im frühen Neolithikum kamen sie oder die Rohlinge auch von weither. Amphibolit (Hornschiefer) oder Aktinolith (Strahlstein) kommen beispielsweise nicht überall vor, Lagerstätten von Hornschiefer lagen in Südosteuropa, sodass von Transporten über mehrere Hundert Kilometer ausgegangen werden kann.Neolithische Äxte und Beile waren sehr wertvoll, nicht zuletzt deshalb, weil Steinschliff und Durchbohrung viel Zeit in Anspruch nahmen: geschätzte zwölf Stunden für eine linearbandkeramische Dechsel, mehrere Tage für eine größere Axt. So wird es verständlich, dass sie einen hohen Tauschwert besaßen. Aus völkerkundlichen Beobachtungen in Polynesien wissen wir, dass solchen Beilen dort ein Gegenwert von zwei bis drei Schweinen zukam.In den jüngeren Abschnitten des Neolithikums bis zur älteren Bronzezeit wurden Äxte und Beile auch als Würdezeichen hergestellt, die Waffen-, Zeremonial- und herrscherlichen Symbolcharakter wie auch magisch-religiöse Bedeutung hatten. Vor allem Äxte und Beile von überdimensionierter oder miniaturisierter - kaum 2 cm langer - Form, zu leichte oder zu schwere, verzierte oder aus edlen Gesteinen bestehende, aber auch stumpfe oder nie benutzte, sind diesen Funktionsbereichen zuzuordnen. Zu den jungneolithischen Prunkbeilen zählen die fein geschliffenen und polierten Beile aus Jadeit, dessen Lagerstätten in den Westalpen zu suchen sind. Von dort gelangte der Rohstoff (vielleicht waren es auch schon Halbfabrikate) über ganz Mittel- und Westeuropa bis auf die Britischen Inseln. In der Nähe von Mainz-Gonsenheim fanden sich fünf solcher Beile in einem Lederbeutel. Mittels Gesteinsuntersuchungen konnte man in den letzten Jahren die Herkunft vieler Rohmaterialien von Steinäxten und -beilen besser bestimmen. Aber nicht nur frühe Tauschbeziehungen wurden erkennbar, sondern zugleich auch ein spezifisches Kultverhalten. So wurden in den südenglischen Kultbau von Avebury Beile aus dem gesamten Westen und Südwesten Englands als Weihegaben gebracht. In der westeuropäischen Megalithkultur gibt es neben zahlreichen Grabfunden und Sammelfunden von Äxten und Beilen Abbildungen auf den Wänden der Grabkammern, so in der Bretagne beispielsweise auf der Ile de Gavrinis oder der Table des Marchands in Locmariaquer, beide im Département Morbihan. In Nordeuropa geben Tausende von Flintbeilen, unzählige Niederlegungen in Mooren deutliche Hinweise auf kultische Zusammenhänge, ebenso aus Bernstein hergestellte Äxte und Beile in Miniaturform. Dazu kommen Doppeläxte, die sicher auch einen symbolischen Charakter haben.Im ausgehenden 5. und beginnenden 4. Jahrtausend kamen in Südosteuropa die ersten Kupferäxte und -beile auf. Vielfach ahmten nun die Steinäxte deren Formen nach. »Schwergewichtige« Hammeräxte aus Kupfer (Gewicht 750 g bis 2,5 kg) sind in der Schnurkeramischen Kultur aus Mitteleuropa bekannt (Äxte vom Typ Eschollbrücken), offensichtlich war hier der Metallwert ausschlaggebend, der selbst bei etwaigem Bruch erhalten blieb. Der nachfolgenden Glockenbecherkultur gehören wohl die kupfernen Doppeläxte Zentralmitteleuropas an, die bis zu 3,5 kg schwer sind. Ihr »Schäftungsloch« ist so klein, dass sie niemals eine Geräte- oder Waffenfunktion gehabt haben können.In der Bronzezeit folgen in typologischer und teilweise auch zeitlicher Abfolge Flach-, Randleisten-, Absatz-, Lappen- und Tüllenbeile. Vor allem die ältere Bronzezeit ist noch vom überlieferten Symbolwert von Axt und Beil geprägt, später spielt die Axt im Nordischen Kreis, wie viele Felsbilder zeigen, eine kultische Rolle. Besonders prunkvoll sind die frühen siebenbürgischen Schaftlochäxte mit reichverzierter Klinge und Nackenscheibe, die aus den gleichen Werkstätten stammen wie die ältesten Schwerter in Mitteleuropa. Gerade bei ihnen ist dann zu beobachten, wie jüngere Formen immer weiter standardisiert werden und Äxte und Beile auch barrenartige Funktionen im Sinne eines Wertmessers oder prämonetären Zahlungsmittels beim Tauschhandel übernahmen.Prof. Dr. Albrecht JockenhövelKruta, Venceslas: Die Anfänge Europas. 6000 bis 500 v.Chr. München 1993.Louboutin, Catherine: Steinzeitmenschen. Vom Nomaden zum Bauern. Ravensburg 1992.Mellink, Machteld J. und Filip, Jan: Frühe Stufen der Kunst. Berlin 1974. Nachdruck Frankfurt am Main u.a. 1985.
Universal-Lexikon. 2012.